„Mit dem Wissen wächst der Zweifel“ stellte Goethe fest und er hat recht. Ich weiß und ich zweifle. Jeden Tag wieder stehe ich vor Entscheidungen, die ohne mein Wissen einfach wären, doch so sind sie wie die Wahl zwischen Skylla und Charybdis. Banalitäten wie das Ankleiden werden zum Problem, nur dadurch, dass ich von einer Kältewelle gehört habe. „Ist das warm genug?“ ist zu meiner täglichen Frage am Morgen geworden. Wir beide grüßen uns wie alte Freunde und umkreisen uns, bis der Bus mich zu übereilten Entscheidungen drängt, die ich spätestens auf dem Weg zum Bus bereue.

Nun, als homo cogitans stelle ich mir natürlich die Frage, ob ich ohne dieses Wissen besser dran wäre? „Ja“, schreie ich! Und „nein“, weine ich. Es gibt hier nicht nur Gut und Böse, Hell und Dunkel, auch wenn das einfacher wäre. Obwohl ich Goethes treffende Aussage ein wenig vereinfacht habe, denke ich, bekommt man einen guten Eindruck von der Tragweite des Entscheidungs-Problems. Ginge ich ohne jegliches Wissen aus dem Haus und ließe mir den Schnee in leichter Jacke um die Ohren fegen, wäre ich nach wenigen Minuten schlechter Laune. Doch mein Unverständnis hielte mich davon ab, meine Lage zu reflektieren, ich wäre in einem Zustand völliger gedanklicher Unbeweglichkeit gefangen. In meinem Kopf schwirrte wahrscheinlich ein Gedanke umher wie: „Warum ist es nur so kalt?“ oder „Hätte ich mir nur den Wetterbericht angehört“. Nichtdestotrotz wäre die Kälte nur eine physische Unannehmlichkeit und keine geistige Qual, die mir jeden freien Moment raubt. Denn jeden Tag gehe ich warm eingepackt aus dem Haus und friere. Ich bin mir zwar sicher, dass ich ohne mein morgendliches Ritual des Fragens (und Zweifelns) nach Isolierung durch Klamottenschichten weitaus schlimmer dran wäre, dennoch peinigt mich die Frage:„ Warum muss das Denken, Abwägen und Entscheiden so schwierig sein- und – warum kann ich nicht damit aufhören, meine bereits getroffenen Entscheidungen erneut in Zweifel zu ziehen?“ Weil wir unser Denken und Handeln reflektieren. Das unterscheidet uns von den Tieren, die diese Möglichkeit (fast) nicht besitzen. Cogito ergo sum! Das macht den Menschen einmalig.

Jetzt aber Schluss mit dieser Entkomplexisierung! Wirklich interessant ist es doch, wenn wir diese Überlegung auf größere Themen in unserem Leben anwenden. Bin ich real?“. Ja, cogito ergo sum. Doch, was heißt das überhaupt? Und wenn alle Zahlen von eins bis unendlich addiert -1/12 ergeben, fange ich persönlich an zu zweifeln.

Viel zu selten wird heute noch gezweifelt, denn der Zweifel braucht Wissen, um zu wachsen.

von Noah Weisswange